Münchener aufgehellt Gelb
Münchener aufgehellt Gelb nichtintensiv (Foto: Norbert Schramm)

Kurzbeschreibung der Münchener Positurkanarien

Der Münchener ist ein domestizierter deutscher Kanarienvogel, der seit Anfang des 20. Jahrhunderts gezüchtet wird. Der Münchener nimmt als Figuren-Kanarienrasse zeitweise eine „Adlerhaltung“ ein, indem er den Hals nach vorn streckt.

Inhaltsverzeichnis

Historie einer deutschen Figuren-Kanarienrasse

Versucht man die Entstehung des Münchener Kanarienvogels zu recherchieren, stößt man als erstes auf den Münchener Holländer, eine leicht frisierte Kanarienrasse, die von ca. 1870 bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges im Jahre 1914 im süddeutschen Raum gezüchtet wurde. Bereits 1883 soll Benno Ziegler, Graveur aus einer angesehenen Münchener Bürgerfamilie, als 25jähriger junger Mann, intensive und schwach frisierte Münchener Holländer mit schlanken, kräftigen und glattbefiederten Landkanarien gekreuzt haben. Das Ergebnis dieser Kreuzung nannte er Münchener Goldkanarie, jener glattbefiederte Vogel, der später zum Münchener weiterentwickelt werden sollte. Anlässlich einer Sport- und Naturwissenschaftlichen Ausstellung in München im Jahre 1898 präsentierte Ziegler die ersten Exemplare dieser Münchener Goldkanarien der Öffentlichkeit. 1912 wurde der Grundstein für die weitere Entwicklung des Münchener durch Gründung des „Verbands deutscher Farben-, Gestalts-, Bastardkanarien und Exotenzüchter e.V. München“ gelegt.

Leider wurde die Entwicklung dieser neuen Rasse durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges im Juli 1914 gestört. Trotzdem versuchte man die gesetzten Ziele nach einer eigenen Haltungskanarienrasse weiter konsequent umzusetzen. Bereits 1917 wurde an einem ersten Standard für den Münchener gearbeitet. Schon 1918 konnten auf der Schau des „Weltbundes der Kanarienzüchter und Vogelfreunde“ die ersten Zuchtergebnisse zum Münchener Kanarienvogel öffentlich vorgestellt werden. Unter dem Vorsitz von Leopold Keidel aus München wurde 1922 letztendlich der Urstandard für den Münchener beschlossen.

Münchener Standardbild 1921
Standardbild des Müncheners von 1921

Ein schnittiger, großer, schlanker und glattbefiederter Vogel mit „feurigen“ Farben trat in die Fußstapfen des Münchener Holländers sowie des Münchener Goldkanarienvogels.

Dieser sollte dem Scot und dem Bossu Belge, so die Intension der deutschen Züchter, den Rang streitig machen. Um sich von diesen Gestalts- bzw. Formenrassen abzugrenzen, wählte man für den Münchener bewusst den Ausdruck Figurenkanarien. Es wurden alle Vögel der Zuchtbemühungen an zentraler Stelle in einem Verbandsstammbuch verwaltet. Als reinrassige Münchener durften nur Vögel genannt werden, die nachweislich von drei Generationen Edel- bzw. Reinzucht abstammten.

Der Rassebeschreibung des Müncheners aus dem Jahre 1930 kann entnommen werden, dass zu dieser Zeit sogar Rassevertreter mit Haube existierten. So wurde in der Position „Gefieder“ gleichzeitig die Haube, sofern vorhanden, mitbewertet. Diese sollte gleichmäßig ausgebildet sein und durfte keine Kahlstelle im Nacken haben.
Letztendlich sorgte der zweite Weltkrieg dafür, dass es nach 1945 keine überlebenden Exemplare der Rasse Münchener mehr gab. Keine der wenigen lokal auf den Münchener Raum beschränkten Zuchten hatte die Kriegszeit zwischen 1939 und 1945 überstanden.

Münchener Weiß
Münchener aufgehellt Dominantweiß (Foto: Thomas Müller)

Glücklicherweise widmeten sich einige süddeutsche Züchter, unter ihnen Rudolf Wurster, der von 1962 bis 1972 Vorsitzender der Preisrichtergruppe im DKB war, in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts der Wiedererzüchtung des Münchener. Hierzu verpaarte man Berner Kanarien mit schlechter Haltung sowie zu kleinem Kopf und Bossu Belge mit langem, dünnen Hals, die ebenfalls nur sehr ansatzweise die für diese Rasse typische Haltung zeigten. Weitere Verbesserungen konnten dann in den Folgejahren durch Einkreuzung von Scots erzielt werden. Mit dem Thema „gehäubter Münchener“ hatte man sich allerdings nach dem zweiten Weltkrieg nicht mehr beschäftigt. Daher werden seit dem keine Haubenvögel mehr akzeptiert.

Erstmals präsentierte Rudolf Wurster seine Zuchtbemühungen 1968, anlässlich der Deutschen Meisterschaft des DKB in Ansbach, der Öffentlichkeit. Zwei Münchener, ausgestellt auf den Namen seiner Gattin, konnten auf Anhieb 85 Punkte erreichen. Es war geschafft und der Münchener war zu neuem Leben erweckt worden. Auch stellte Wurster 1971 auf der COM-Weltschau in München die Siegerkollektion bei den Münchenern mit 352 Punkten.

Förderer des Müncheners
Die Schöpfer und Rekonstrukteure des Münchener Figuren-Kanarienvogels

Heute wird die Rasse Münchener, wie alle glatten Figurenkanarienrassen, von der IG der glatt befiederten Figurenkanarien e.V. betreut, dessen langjähriger Vorsitzende Wilfried Wulf sich weiterhin für den Erhalt einsetzte.

Beschreibung und Merkmale der Rasse Münchener

Der Münchener ist eine deutsche Kanarienrasse, die den glatt befiederten Figurenkanarien zugeordnet ist. Wie bei vielen anderen Positurkanarienrassen auch, verweist die Namensgebung auf den Entstehungsraum dieser Rasse.

Als Figurenkanarien nimmt der Münchener in Aktion eine für seine Rasse typische Arbeitshaltung ein. Hierbei wird der lange und schmale Hals und der kleine, ovale und leicht abgeflachte Kopf mit einem Winkel von ca. 45° zur ansonsten fast senkrecht verlaufenden Körperachse nach vorne geneigt (Adlerhaltung). Diese Arbeitshaltung kann der Vogel wegen des notwendigen Kraftaufwandes nur zeitweise einnehmen.

Die Schultern sind, passend zur schlanken Körperform, nicht zu breit und gehen übergangslos in die fast senkrecht verlaufende Rücken-/Schwanzpartie über.

Münchener_Beschreibung
Die Merkmale des Müncheners

Die langen und gut anliegenden Flügel passen sich gut in die fast senkrecht verlaufende Körperhaltung ein. Der leicht eingekerbte Schwanz ist lang, schmal und steht senkrecht abwärts.

Der Münchener hat lange und leicht gewinkelte Beine. Die Unterschenkel sind deutlich sichtbar.

Die schmale und leicht gerundete Brust sowie die feine Federtextur, mit straff anliegenden Konturfedern, unterstreichen die schlanke Form des Vogels. Jegliche Form von Frisurenansätzen ist fehlerhaft.

Er ist zwischen 15 cm und 16 cm groß.

Der Münchener ist in allen Kanarienfarben – außer den rotgrundigen – einschließlich der Schecken zugelassen.

Der Münchener Kanarienvogel auf Ausstellungen

Der Münchener wird im Kuppelkäfig mit Standardsitzstangenbestückung (16×9 mm, 180 mm lang) ausgestellt. An diesen Schaukäfig sollte der Münchener von frühester Jugend an gewöhnt werden. Es bietet sich an, bereits einen Kuppelkäfig mit geöffneter Türe an die Absetzbox zu hängen. Das neugierige Wesen des Vogels lässt ihn recht schnell den Schaukäfig aufsuchen. Somit verliert er in wenigen Stunden seine natürliche Scheu vor der fremden Umgebung und fühlt sich rasch sichtlich wohl.

Münchener gescheckt
Münchener gescheckt Schwarz Gelb intensiv (Foto: Thomas Müller)

Nach der Mauser kann dann mit dem eigentlichen Schautraining begonnen werden. Erst für wenige Stunden, dann für immer längere Zeitabschnitte kann der Münchener im Trainingskäfig verbleiben. Zu diesem Zeitpunkt sollte dem Vogel antrainiert werden „auf Kommando“ die gewünschte Haltung einzunehmen. Hierzu genügt es, durch leichtes kratzen bzw. vorsichtiges klopfen am Käfigunterteil die Aufmerksamkeit des Vogels zu erregen. Mit zunehmenden Trainingsfortschritt nimmt er, so animiert, zumeist umgehend die geforderte Arbeitshaltung ein. Beachtet werden sollte, dass der Münchener wegen des notwendigen Kraftaufwandes diese Arbeitshaltung nur zeitweise einnehmen kann.

Idealerweise erfolgt die Bewertung der Position „Haltung“ bereits im Schauregal. Sobald der Preisrichter einen Vogel in Arbeitshaltung bemerkt, sollte er sich hierzu eine entsprechende Notiz machen. Das Punkten der übrigen Bewertungspositionen kann dann später in Ruhe auf dem Bewertungstisch erfolgen.

Tipps zur Haltung und Zucht des Münchener

Außerhalb der Zuchtzeit kann der Münchener in geräumigen Flugvolieren gehalten werden. Bezüglich der Fütterung sind beim Münchener keine Besonderheiten zu beachten.

Da er nicht zu groß ist, reicht für die Zucht eine Zuchtbox mit einer Mindestgröße von 50 cm Breite, 40 cm Höhe und 40 cm Tiefe aus. Die Zucht erfolgt idealerweise in Einzelboxen als Paarhecke, denn die Hähne beteiligen sich aktiv am Brutgeschäft. Sie füttern sehr fürsorglich die brütende Henne und kümmern sich nach dem Schlupf hervorragend um die Jungvögel. Da der Münchener erst Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts aus verschiedenen Kanarienrassen wiedererzüchtet wurde ist er, wie andere „junge“ Rassen auch, ein sehr eifriger Zuchtvogel mit sehr guten Elterneigenschaften. Gelege mit 4 und mehr Jungvögeln werden problemlos aufgezogen.

Da das Gefieder des Müncheners nur einen sehr geringen Dunenanteil aufweist, muss der Münchener während der Zucht etwas wärmer gehalten werden als andere Kanarienrassen. Ideal ist eine Raumtemperatur von 18 bis 20° C. Zur Beringung des Müncheners ist ein Fußring von 2,7/2,8 mm zu verwenden.

Wichtiges Kriterium für die Auswahl der Zuchttiere ist neben den Körperproportionen insbesondere die Größe. Wie bei allen Kanarienrassen sollte man bevorzugt die Verpaarung eines intensiven Vogels mit einem nichtintensiven Partner wählen. Zu häufige Verpaarung von nichtintensiven Vögeln untereinander bringt langfristig Übergröße in den Zuchtstamm und führt zu Einbußen in der Gefiederqualität.

Bezüglich der Rassemerkmale zum Kopf, Hals und Körper ist auch beim Münchener die ausgleichende Verpaarung das Mittel der Wahl, wobei sehr auf die geforderte Kopfform geachtet werden sollte. Auch sollten bezüglich der Eigenschaften des Schwanzes keine Kompromisse gemacht werden. Der Schwanz darf nicht zu lang sein und sollte am Schwanzendes eine möglichst geringe Einkerbung haben.

Schlusswort

Gemäß Klaus Speichers Worten aus „Vitagramm Canaricultura“ ist dem Münchner zu wünschen, dass Patrona Bavariae, die Schutzherrin Bayerns, zukünftig ihre segnenden Hände über diese schöne Positurkanarienrasse hält und ein erneutes Aussterben verhindert.

Text: Thomas Müller, Uwe Feiter,
überarbeitet von Norbert Schramm

Fachgruppe im DKB

Für den Münchener ist im Deutschen Kanarien- und Vogelzüchterbund e.V. die Fachgruppe der Farben- und Positurkanarien oder die Interessengemeinschaft der glatt befiederten Figurenkanarien e.V. zuständig.

Im Bereich der Sachkunde findet man Erstinformationen zur Kanarienhaltung.

Fragen zum Münchener

Wir haben auf dieser Seite das Wichtigste zum Münchener-Kanarienvogel aufgeführt. Bei weiteren Fragen kontaktieren Sie uns gern.

Weiterführende Literatur

Positurkanarienstandard des Deutschen Kanarien- und Vogelzüchterbund e.V. (Stand 2020), Loseblattsammlung

Interessengemeinschaft der glatt befiederten Figurenkanarien e.V.

H. Claßen, W. Kolter: Die Positurkanarien. Eigenverlag Rheinmünster, 2005.

T. Müller, U. Feiter: Faszination Positurkanarien – eine Leidenschaft für’s Leben. Palm Druck & Verlag, Baesweiler, 2013.

N. Schramm: Kompendium-Kanarien, Band 3, Positurkanarien aus aller Welt. Books on Demand, Norderstedt, 2022.

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