Die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht (DJGT) hat im Auftrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen ein neues Gutachten zur Reform des Tierschutzrechts erstellt.
Hier wird aus Sicht der Autoren dargestellt, wie Tiere effektiver geschützt werden können. Bereits 2009 wurde durch die damalige Bundestagsabgeordnete Undine Kurth ein Reformversuch begonnen, der in den damaligen Bundestag keine Mehrheit fand.
Aus diesem Dokument sollen bereits noch dieses Jahr erste Inhalte umgesetzt werden. Nachfolgend sind einige Änderungen durch den BNA herausgearbeitet worden:
Paragraph 1 des Vorschlags für ein neues Tierschutzgesetz nimmt neben den Begriffen Schmerzen, Leiden oder Schäden, die niemand ohne vernünftigen Grund einem Tier zuführen darf, die Angst als vierte Kategorie auf.
Die Definition hierfür ist in § 3 gegeben:
„Angst ist Leiden, wenn sich das Tier bedroht fühlt und dieses Gefühl über ein schlichtes Unbehagen und eine reine Augenblicksempfindung hinausgeht, insbesondere weil sich das Tier der Angst auslösenden Situation nicht oder nicht ohne Weiteres zu entziehen vermag.“
In Paragraph 3 des Entwurfes wird konkretisiert, wer unter den Begriff des Tieres fällt – hiervon wären alle nichtmenschlichen Tiere betroffen. Weiterhin würden Kopffüßer (Cephalopoden) und Zehnfußkrebse (Dekapoden) den Wirbeltieren gleichgestellt, ebenso wie selbstständig Nahrung aufnehmende Larven von Wirbeltieren und alle embryonalen oder fötalen Formen von Säugetieren, sobald sie das letzte Drittel der
Graviditäts- oder Brutdauer erreicht haben.
Auch Heimtiere („Tier, das der Mensch insbesondere in seinem Haushalt zu seiner eigenen Freude und als Gefährten hält oder das für diesen Zweck bestimmt ist.“) und Tiere wild lebender Arten („… eigenständige, nicht domestizierte Tiere, die einer Art angehören, die in Freiheit vorkommt und die ohne Zutun des Menschen in freier Wildbahn existieren und sich fortpflanzen können.“) sind in dem Gutachten genauer definiert.
Aus Sicht des BNA sind diese Definitionen jedoch äußerst problematisch, da viele Tiere wildlebender Art als Heimtiere gehalten werden – soll es nun einen Unterschied in der Bewertung oder Behandlung dieser Arten bei der Umsetzung des Gesetzes geben, obwohl sich auch Heimtiere wie die Hauskatze oder der Haushund ohne das Zutun des Menschen in freier Wildbahn etablieren können?
Genauere Details zur art- und verhaltensgerechten Haltung und Unterbringung werden in Paragraph 4 aufgeführt. So müssten Tiere der Art und den Bedürfnissen entsprechend artgerecht ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht werden und der Halter müsste nicht nur über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, sondern diese auf Verlangen der zuständigen Behörde auch nachweisen.
Einzelne Verbote werden in Paragraph 7 aufgeführt – u. a. die Abgabe von Hunde- und Katzenwelpen ohne rechtfertigenden Grund bis zur 16. Lebenswoche, die Hybridzucht durch Verpaarung von Heimtieren mit wildlebenden Arten oder die Handaufzucht, um eine gesteigerte Zahmheit der Tiere zu erlangen.
Erlaubnispflichtige Tätigkeiten werden in Paragraph 74 genannt. In Ergänzung zu den bisher bestehenden Erlaubnisvoraussetzungen nach § 11 TierSchG soll nach dem Entwurf nun auch einer Erlaubnis bedürfen, wer „auch ohne gewerbs- oder geschäftsmäßig zu handeln, Tiere wildlebender Arten züchten, halten, betreuen, mit ihnen Handel treiben oder sie einführen oder in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringen will.“
Im Antrag auf Erlaubniserteilung wären die Anzahl und Art der betroffenen Tiere, die verantwortliche Person und die Anzahl der Pflegepersonen wie auch die Räume und Einrichtungen anzugeben.
Dies würde bedeuten, dass alle Halterinnen und Halter von Tieren wildlebender Arten (Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säuger) einer Erlaubnis durch die zuständige Behörde bedürften – es ist jedoch unklar, wer aufgrund der problematischen Begriffsdefinition von Heimtier und Tier wildlebender Art in Paragraph 3 des Entwurfes darunterfallen würde.
Qualzuchten und deren Verbot werden in Paragraph 76 des Entwurfes näher aufgeführt und § 77 konkretisiert ein Abgabeverbot von Tieren an Personen, die nicht sachkundig sind und/oder das 16. Lebensjahr nicht vollendet haben. Zudem sollten Halterinnen und Halter, die ein Wirbeltier dauerhaft abgeben, der zuständigen Behörde auf Verlangen den Verbleib des Tieres bekannt geben und nachweisen. Dies würde bedeuten, dass für alle Tiere eine schriftliche Übergabebestätigung ausgehändigt werden müsste.
Besondere Bestimmungen für die Haltung von Heimtieren sind ab § 87 des Entwurfes aufgelistet. So sollten Heimtiere zur Gesundheitsüberprüfung und -vorsorge mindestens einmal jährlich einem Tierarzt vorgestellt werden (§ 88). Detaillierte Haltungsvoraussetzungen für die Haltung beliebter Kleinsäuger wie Kaninchen (§ 91), Meerschweinchen (§ 92), Hamster (§ 94) oder Degus (§ 95) sind artspezifisch vorgegeben.
In § 99 folgen die Bestimmungen für das Halten von Vögeln. Diese sind „in Haltungseinrichtungen zu halten, in denen sie ihr natürliches Flugverhalten ausüben und ihre artgerechte Mindestflugstecke zurücklegen können. Werden Vögel in Haltungseinrichtungen gehalten, die dies nicht zulassen, ist ihnen täglich beaufsichtigter Freiflug von mindestens drei Stunden zu gewähren.“
Folgende Mindestmaße (Länge mal Breite mal Höhe in Metern) dürften dabei nicht unterschritten werden:
- Für Amazonen und Großsittiche 4 x 3 x 3
- Aras und Papageien 8 x 5 x 4
- Kleinsittiche 3 x 2 x 2
- Kanarienvögel und ähnliche 2 x 2 x 2
Für die Haltung unter den aufgeführten Mindestmaßen wären 3 Stunden zusätzlicher Freiflug notwendig. Werden Tiere in Außenvolieren gehalten, so muss nach dem Entwurf zusätzlich ein Schutzraum mit einer Mindestgröße von einem Drittel der Voliere zur Verfügung stehen. Auch in diesem Paragraphen ist die Erwähnung einer „artgerechten Mindestflugstrecke“ als höchst problematisch anzusehen, denn diese hängt von den natürlichen Ressourcen im Habitat des Vogels ab, die er zur Bedarfsdeckung benötigt. Legen Wellensittiche in Australien täglich bis zu hundert Kilometern zurück, da es ihrer artgerechten Mindestflugstrecke entspricht oder weil sie große Distanzen zwischen Brutplatz, Nahrungs- und Wasserquellen zurücklegen müssen?
In den nachfolgenden Paragraphen ist Haltung von Reptilien (§ 100, bei denen für streng terrestrisch lebende Schlangenarten eine Rackhaltung erlaubt wäre), Aquarienfischen (§ 101, Haltung in artspezifischen Sozialgefügen, maximaler Nitratgehalt des Wassers < 200 mg/l, Mindestvolumen 54 Liter Wasser) und Fischen in Gartenteichen (§ 102, Mindestvolumen 2000 Liter, Eisfreihalter im Winter) beschrieben.
Weitere Paragraphen regeln den Umgang mit Fundtieren (§ 105), die Verpflichtung der Anzeige durch einen Tierarzt, sollte er Verstöße gegen das Tierschutzgesetz feststellen (§ 110), wie auch Aufsichtspflichten der zuständigen Behörden (§§ 112- 113), das Mitwirkungs- und Klagerecht anerkannter Tierschutzvereinigungen (§§ 134-141) oder eine Aufzählung von Ordnungswidrigkeiten (§ 142).
Der BNA sieht bei zahlreichen Paragraphen des vorgestellten Entwurfs deutliche Schwierigkeiten, nicht nur hinsichtlich der juristischen Umsetzung, sondern auch im Hinblick auf die Bürokratisierung und den Vollzug. Bereits heute sind die Vollzugsbehörden weder personell noch fachlich aufgestellt, um die derzeit schon geltenden Vorgaben im Tierschutzgesetz flächendeckend und zeitnah zu überprüfen. Es stellt sich daher die Frage, wie die zuständigen Behörden die Mehrarbeit leisten sollen, wenn es zu einer Umsetzung der präsentierten Vorschläge im Entwurf käme. Der BNA erachtet daher die Gesamtheit der vorgeschlagenen Änderungen als nicht zielführend und umsetzbar.
Quelle: https://www.bna-ev.de/
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